Am 06. November fand endlich die lang ersehnte zweite Ausgabe des Zehlendorfer Literaturabends statt. Zahlreiche Zuhörerinnen und Zuhörer – viele davon zum ersten Mal im Divan – kamen und ließen sich von den spannenden, poetischen, oft sehr persönlichen Worten, in deutscher wie auch in arabischer Sprache, berühren und verzaubern.
Nachdem das Motto der Auftaktveranstaltung im Juni „Die Welt ist ein (Zehlen)Dorf“ eher zu globalen Betrachtungen einlud, ließ sich die Vorgabe diesmal sowohl geographisch als auch sozial deutlich näher verorten – es ging nämlich buchstäblich „um die Ecke“. Auch der Divan liegt an einer Ecke, nämlich der von Schützallee und Riemeisterstraße. Und weil sich die interessantesten Geschichten oft direkt um die Ecke abspielen, waren passionierte Schreiberinnen und Schreiber in und außerhalb Zehlendorfs dazu aufgerufen, sich mit diesem Thema zu befassen.
Die Einsendungen waren so zahlreich, dass wir uns gezwungen sahen, eine Auswahl an Texten zu treffen, die an diesem Abend auf offener Bühne präsentiert werden konnten. Umso mehr freuen wir uns, dass alle Teilnehmenden der Veröffentlichung zugestimmt haben und wir hier sämtliche eingereichten Texte zum Nachlesen zur Verfügung stellen können. Dazu gehören neben „In den Souks“ von Bettina Schneider und „Meine Freundin“ von Christine Guediri auch „قهوة ياسمين“ „Jasmins Cafè“ von Klud Dabash und „من السلام في دوسلدورف“ „Vom inneren Frieden in Düsseldorf“ von Sawsan El Sherif.
Zu Beginn des Abends nahm uns Jutta Wolf mit auf eine abenteuerliche Bergwanderung, die sie (nicht gerade um die Ecke) in Marokko unternommen hatte. Dabei erzählte sie „vom Glück, um die falsche Ecke zu gehen“, denn dieser „Umweg“ verhalf ihr zu einer wunderbaren Begegnung mit einem hilfsbereiten Einheimischen.
Mit „Oxana“ stellte Vera Yakerson, die jüngste Autorin an diesem Abend, einen Auszug aus ihrem ersten Roman „Zwischenland“ vor. Sie beschreibt darin in authentischer Jugendsprache die Begegnung einer russischen und einer ukrainischen Schülerin in Berlin.
In der autobiographischen Reflexion „Ich, Er und Sie“ von Carola Hocke lernen sich zwei Menschen mit völlig unterschiedlichen kulturellen Prägungen im Jahr des Mauerfalls kennen. In diesem „neuen“, fremden Deutschland überwinden sie Vorurteile und Grenzen, indem sie miteinander tanzen und ihre eigene Sprache entwickeln, bis aus „ihr“ und „ihm“ schließlich „sie“, die Tochter, entsteht.
Es folgte mit „Vier Freundinnen“ von Bernhard K. Urbach die detaillierte Beschreibung einer Begegnung unterschiedlicher Frauen vor dem Hintergrund eines angehenden Jahrhundert-Unwetters. Dieser Text ist ebenfalls Teil eines größeren Werks.
Auch die Erzählung „Pfütze im Café an der Ecke“ beginnt mit einem heranziehenden Gewitter. In ihrer feinsinnigen Meditation erinnert Elena Illing daran, dass in so einer kleinen Menge Wasser vielleicht einmal das erste Leben auf der Erde entstanden ist.
Danach folgte mit „عند الزاوية…حيث ينكسر الزمن“ „An der Ecke, an der die Zeit zerbricht“ von Asma Mohammed ein arabischer Text, der mit seiner Phantasie und Vielschichtigkeit die Grenzen von Raum und Zeit aufhebt. Um dem überwiegend deutschen Publikum einen Eindruck von dem Reichtum dieser Geschichte zu vermitteln, gab Linda Haddad hier eine kurze Zusammenfassung des Inhalts, ebenso wie von dem Text „قهوة ياسمين“ „Jasmins Cafè“ von Klud Dabash, der den Dialog zwischen zwei Frauen skizziert, die Flucht- und Willkommenskultur in Deutschland aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachten.
Ein weiterer Text, „من السلام في دوسلدورف“ „Vom inneren Frieden in Düsseldorf“ von Sawsan El Sherif, gewährt einen tiefen Einblick in die Gefühlswelt einer jungen Frau, die aus Sicht der Gesellschaft ihr Glück um die Ecke hat liegen lassen, indem sie ihren akademischen Träumen nachgeht, anstatt ihren Mutterinstinkten zu folgen.
Schließlich ließ sich Andreas Lucas von seinem ehemaligen Deutschlehrer sowie dem Jugendbuch-Autor Wolfgang Ecke zu dem Krimi-Gedicht „Nord-Ecke“ inspirieren. Als Zugabe gewährte er dem begeisterten Publikum mit „Arabisch für Zurückgebliebene“ noch mittels der Technik des „Um-die-Ecke-Denkens“ Einblicke in die Eselsbrücken, mit denen er sich das Erlernen arabischer Vokabeln erleichtert. Vom Erfolg dieser Methode konnte sich jede und jeder vor Ort direkt im interaktiven Selbstversuch überzeugen.
Wortakrobatik und Klartext, Amüsement und Ernsthaftigkeit, Nachdenkliches, Berührendes, Überraschendes – in diesen Werken mit Ecken und Kanten verbinden sich all diese Komponenten in wunderbarer Harmonie. Die gelesenen Vorträge der Schreibenden wie auch die Möglichkeit, danach direkt mit ihnen ins Gespräch zu kommen, machten den Abend zu etwas Besonderem, das nach einer weiteren Fortsetzung verlangt.
Wenn Sie selbst schreiben und/oder ein neues Motto für die Ausschreibung des nächsten literarischen Abends vorschlagen möchten, freuen wir uns über Ihre Anregungen an theater@derdivan.org.




































































