Am 3. April 2025 fand im Divan in Zusammenarbeit mit dem House of Taswir eine faszinierende Diskussionsrunde mit der renommierten Kunsthistorikerin Prof. Dr. Angela Harutyunyan statt. Unter dem Titel „The Post-Soviet as Anti-Soviet: The Formation of ‚Contemporary Art‘ in Armenia“ wurden die historischen Bedingungen und ideologischen Prägungen der zeitgenössischen armenischen Kunstszene beleuchtet.
Im Mittelpunkt des Abends stand die zentrale These von Harutyunyan: Zeitgenössische Kunstproduktion in Armenien sei maßgeblich durch eine bewusste Abgrenzung vom sowjetischen Erbe geprägt. In ihrem Vortrag erläuterte sie, wie der Begriff „sowjetisch“ in der armenischen Kunstszene nicht nur abgelehnt, sondern geradezu negiert wird. Die Entstehung der „zeitgenössischen Kunst“ in Armenien sei somit untrennbar mit einer anti-sowjetischen Haltung verbunden. Dies führte zu einer anregenden Diskussion über die politische Ästhetik und die post-sowjetischen Transformationen, die die künstlerischen Ausdrucksformen in Armenien beeinflussen.
Angela Harutyunyan ist Professorin für zeitgenössische Kunst und Theorie an der Universität der Künste Berlin (UdK) und eine führende Expertin für moderne und zeitgenössische Kunst aus dem Nahen Osten und den post-sowjetischen Regionen. Mit ihrer tiefgehenden Analyse und ihrem interdisziplinären Forschungsansatz eröffnete sie den Teilnehmenden neue Perspektiven auf die politische Dimension künstlerischer Praktiken in postsowjetischen Gesellschaften.
Diese Veranstaltung bot ein einzigartiges Forum für den Austausch über Kunst, Geschichte und Politik. Die Zuhörerschaft, bestehend aus Kunstschaffenden, Forschenden und Kulturinteressierten, zeigte sich begeistert von der intensiven und vielschichtigen Debatte. Mit dieser gelungenen Zusammenkunft wurde einmal mehr unterstrichen, wie Kunst nicht nur als ästhetischer Ausdruck, sondern auch als gesellschaftliche Reflexion und politische Intervention fungieren kann.
Der Divan Gelehrtentisch bietet Raum für einen offenen Austausch zwischen Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Diplomat*innen – ohne ungefragte Aufnahmen, ohne Kamera, ohne territoriale Grenzen, sei es in Bezug auf Religion, Ethnie oder Nationalität. Die Veranstaltung fand unter den Blicken von Taysir Batnijis Fotowerk „Gaza Walls“ (2001) statt, das vom Divan mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der MKM Gallery / House of Taswir von September 2024 bis März 2025 präsentiert wird.